“Fellbach tritt der “Seebrücken”-Initiative nicht bei” (Fellbacher Zeitung 21.12.10)

Abgelehnt wurde in der Tat mein Wunsch, dem Bundesinnenministerium eine Mitteilung zum Thema zukommen zu lassen. Die Seebrücke hingegen wurde nicht abgelehnt, sondern weiterverwiesen zu Gesprächen zwischen Verwaltung, zivilgesellschaftlichen Akteur*innen und den Fraktionen im Gemeinderat. Das heißt: es hat sich eine Seebrücke-Initiative innerhalb des Freundeskreises für Flüchtlinge gebildet, mit denen wird geredet und wohl auch mit den Kirchen. Die evangelische Kirche plant, ein Rettungsschiff ins Mittelmeer zu schicken, was auf dem Kirchentag beschlossen wurde, allerdings noch nicht umgesetzt ist. Nun wird wohl in einem Jahr mein Antrag noch einmal eingebracht von Bündnis 90/Die Grünen und dann auch vom Gemeinderat abgesegnet. Angesichts von derzeit 73 Millionen Flüchtlingen auf dem Planeten, wäre die Handvoll Menschen, die Fellbach zusätzlich aufnehmen würde, nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Und beim Thema Fluchtursachen bekämpfen müssen auch die Waffenlieferungen der Großen Koalition und die Machenschaften der Konzerne zur Sprache gebracht werden.

Afrika in Fellbach

Bereits zum zweiten Mal kam der emeritierte Professor für Soziologie und Ethnologie Doktor Tirmiziou Diallo aus Worms zu den 4. Fellbacher Weltwochen 2019, wie bereits bei der dritten Ausgabe 2017. Erneut hat die Stadt Fellbach bereits zum vierten Mal den ersten Preis unter den Baden-Württembergischen Mittelstädten (50.000 bis 100.000 Einwohnerinnen) geholt. Der Wettbewerb nannte sich Meine.Deine.Eine Welt und wurde von der Stiftung Entwicklungszusammenarbeit ausgelobt, die dem Land politisch zuzuordnen ist. Unter Leitung von Birgit Held (Rathaus, CDU) haben über 6 Wochen verteilt im Herbst in der Stadt 56 Veranstaltungen zu den Entwicklungsnachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen stattgefunden.

Diallo, 83 Jahre jung, zählt zu den führenden afrikanischen Intellektuellen in Deutschland, wo er seit 60 Jahren lebt. Er stammt aus einem Dorf bei der Stadt Mamou in der Republik Guinea, Westafrika. Sein Vater war Imam, er selbst ist Muslim. Nach einer langjährigen Station in Frankfurt bei Theodor W. Adorno und Max Horkheimer hat es ihn nach Dakar, Senegal verschlagen, wo er bis zu seiner Emeritierung Dekan an der Université du Sahel war. Er hat im Zuge seiner Forschungsarbeiten fast den kompletten afrikanischen Kontinent bereist.

Die freie Rede ist sein Steckenpferd und so hielt er über 3 Stunden in der Arbeiterwohlfahrt 20 Zuhörerinnen in seinen Bann. Sein Lebensmotto ist der Spruch: “Afrika ist nicht das Problem, Afrika ist die Lösung.”. Seiner Meinung nach bietet der reiche afrikanische Kontinent eine Menge an Lösungen für Europa. So zählt er ruhig und geduldig afrikanische Weisheit um Weisheit auf. Er hofft sehr auf Deutschland, das als einziges Land seine Verbrechen aufarbeitet wie sonst keine andere Nation in Europa. Der sogenannte Westen steht am Abgrund.

Diallo ist mit Daniel Cohn-Bendit und dem Dalai Lama befreundet. Der Tibeter hat dem Afrikaner von einer Reise in dessen Kontinent berichtet. So traf er eine Menge Französinnen, Engländerinnen und Portugiesinnen an, allerdings keine Afrikanerinnen. Natürlich eine Folge des Kolonialismus, der nach Aussage des Professors 100fach schlimmer war als die Shoah. Rechnet mensch die Todesopfer auf, kommt das in der Tat der Vergangenheit sehr nahe.

Haushaltsrede 2019 Langfassung

Liebe Kolleg*innen,
ich möchte die Gelegenheit nutzen um auf die Seebrücke aufmerksam zu machen. Dabei geht es darum, daß Fellbach als sicherer Hafen für Menschen erklärt wird, die aus Seenot im Mittelmeer gerettet werden. Zahlreiche deutsche Städte haben mit dem jeweiligen Gemeinderat dafür gestimmt. Auch Waiblingen auf Initiative seines Oberbürgermeisters Hesky.
Viele Menschen meinen, daß die Leute doch in ihrer Heimar bleiben sollen. Allerdings gerät dabei der Kolonialismus und der Imperialismus der letzten 500 Jahre in Vergessenheit, der Schuld ist an dem Ungleichgewicht zwischen Nord und Süd. Europa hat damals den ganzen Planeten zerstört, die Bodenschätze gestohlen und viele, viele Menschen deswegen getötet. Dieses sollte mensch nicht übersehen, wenn es darum geht, daß Menschen aus dem Süden sich aufmachen, um vor Elend, Hunger, Krieg und der Klimakatastrophe zu fliehen. Sie riskieren dabei bewußt ihr Leben um ein Zeichen zu setzen gegen diese Ungerechtigkeit. Viele sterben schon auf dem Weg in der Sahara und im Mittelmeer. Nur weil sie die falsche Hautfarbe haben, werden sie am Betreten der Festung Europa gehindert. Die sogenannte Agentur Frontex ist dabei ein Instrument der Europäischen Union, um diesen Menschen das Gastrecht zu verweigern.
Bei den Fellbacher Weltwochen wurden unerträgliche Bilder gezeigt von ehrenamtlichen Seenotrettern, die gefilmt haben, wie Afrikaner*innen bei der Rettung jämmerlich ertrunken sind. Viele davon können nicht mit aufs Schiff wegen Kapazitätsgründen und müssen zwangsläufig sterben. Diese Bilder machen wütend und traurig. Wütend, weil solche Zustände in der Sklaverei von Afrikaner*innen damals in Amerika immer noch aktuell sind und traurig, weil kein Mensch egal welcher Herkunft so etwas verdient hat.
Beim Thema Seebrücke möchte ich noch weiter gehen. Eine Luftbrücke ist gefragt, mit der ohne Visum und Schikanen Menschen aus Kriegsgebieten in sichere Länder geflogen werden können. In diesem Fall hätten die Länder des Südens eine Chance auf eine friedliche und eigenständige Entwicklung, somit würde den Schleuser*innen das Handwerk gelegt.
Wir in Deutschland können nicht alles Elend der Welt beenden, sagt mensch gern. Würden die Waffenlieferungen mitsamt der Ausbeutung durch die Konzerne sofort gestoppt, würden die Menschen ihre Ruhe haben und sich selbst entwickeln können. Mein Motto: Fluchtursachen bekämpfen, geht nur über die Kontrolle der Konzerne. Dann wäre die Macht überschaubar und kontrollierbar. So wie das jetzt abläuft, fährt unsere Wirtschaft vor die Wand und die Ungleichheit an Reichtum katapultiert sich nach oben. Gefragt ist Wirtschaftsdemokratie.
Armin Fischer, Stadtrat Fellbach DIE LINKE

Leserbrief zum Militärkonzert

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ihr von der Bundeswehr-Werbung inspirierter oder gar abgeschriebener Artikel reiht sich ein in eine lange Reihe lobhudelnder Berichterstattung in vielen Medien zu einem todernsten Thema.

Die Ausgaben für die Militärmusik -ohne Personalkosten- betrugen vor 5 Jahren knapp 6,5 Millionen im Jahr. Heute liegen sie nach Auskunft des Verteidigungsministerums konstant über 10 Millionen. Dies geht einher mit einer drastischen Erhöhung des Militäretats, angestrebtes Ziel 2% des Bruttosozialproduktes, was 85 Milliarden Euro jährlich bedeutet.

Die Orchester begleiten musikalisch die Verabschiedung von Truppen in den Krieg oder spielen auf, wenn Staatsgäste begrüsst werden. Sogar für private Veranstaltungen können die MusikerInnen der Bundeswehr kostenlos gebucht werden. Natürlich nicht, um die Bevölkerung mit ihrem Liedgut zu erfreuen, sondern aus kühler Berechnung: „Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit engagiert sich die Militärmusik in zahlreichen sozialen und karitativen Projekten. Sie fördert damit die Identifikation mit der Bundeswehr und ihre Verankerung in der Gesellschaft“, so die Auskunft des Verteidigungsministeriums auf eine Anfrage des Linken-Abgeordneten Tobias Pflüger. Dieser kritisiert die Steigerung der Ausgaben und meint dazu: „Durch die Auftritte der Musikkorps soll die Bundeswehr in der Öffentlichkeit positiv präsentiert und Militärisches in der Gesellschaft normalisiert werden“.

Vor 10 Jahren musste der damalige Bundespräsident Köhler noch zurücktreten, weil er Militäreinsätze zur Sicherung der Handelswege als im Notfall nützlich und zulässig bezeichnete. Als vor Kurzem die neue Verteidigungsministerin und „C“DU- Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer sich genau in diesem Sinne äusserte und sich sogar Kriegseinsätze im Pazifik zur Sicherung der Handelswege vorstellen konnte, regte sich kaum Kritik bzw. nur von den üblichen Verdächtigen, der Friedensbewegung und der Linkspartei. Ansonsten Schweigen im Blätterwald. Dabei finden schon die derzeitigen Auslandseinsätze der Bundeswehr häufig in rechtlichen Grauzonen statt, ohne UN-Mandat und bei starker Dehnung des Begriffs der Verteidigung. Diese alleine aber rechtfertigt ein militärisches Eingreifen, Art. 87a GG.

Wie ernst die Lage schon ist, kann man neben den zahlreichen Auslandseinsätzen mit toten Soldaten, auch daran erkennen, dass dieses Jahr erstmalig Manöver auf öffentlichen Strassen in Mecklenburg-Vorpommern stattfanden, angeblich um Panzereinsätze im fernen Afghanistan zu üben, während nach Abschluss des Manövers das dortige Ordnungsamt zufrieden konstatierte, „dass sich die Strassen (Mecklenburg-Vorpommerns) als breit genug erwiesen hätten“. Noch Fragen?

Berthold Brecht hat noch immer recht, wenn er warnt: „ Denn der Menschheit drohen Kriege, gegen welche die vergangenen wie armselige Versuche sind und sie werden kommen ohne jeden Zweifel, wenn denen, die sie in aller Öffentlichkeit vorbereiten, nicht die Hände zerschlagen werden.“ Deshalb muss Schluss sein mit der Verharmlosung der Bundeswehr-Aktivitäten, seien es Auslandseinsätze, Konzerte, Besuche der Werbeoffiziere in den Schulen, denn Brunnen bohren kann das THW besser, Musikkapellen und Chöre gibt es Hunderttausende, die gerne auftreten würden, auch in Kirchen, und eine solide Ausbildung fürs Leben ist allemal besser als eine Ausbildung zum Töten. Vergessen wir nicht, dass durch den Wegfall der Wehrpflicht und dem Aufbau einer Berufsarmee ein Paradigmenwechsel eingetreten ist, der gerade nicht der Friedensicherung dient.

Ingrid Stanimirov, DIE LINKE Fellbach